Nachfolgend die Geschichte des Heddernheimer Turnvereins, entnommen aus dem Festbuch zur 100-jährigen Jubelfeier der Turnerschaft Heddernheim am 2. - 4. Juli 1960
Daß auch die Pflege der Geselligkeit im eigenen Heim eine bessere wurde, war selbstverständlich und führte im Jahre 1904 zur Gründung der Kneipenriege.
Das anbrechende Jahrhundert räumte auf vielen Gebieten so manches Vorurteil hinweg, unter anderem auch die Gepflogenheit, daß das Turnen lediglich dem so genannten starken Geschlecht vorbehalten sei. Es entstanden in dieser Zeit überall in den Turnvereinen Frauenabteilungen, so auch in im Jahre 1908 in unserem Verein.
Die ersten aktiven Frauen und Mädchen nach dem Verbot des Frauenturnens.
Gleichzeitig wurde das Schülerturnen wieder aufgenommen, nachdem es einige Jahre infolge des Verbots der Schulbehörde aufgegeben werden mußte.
Zurückblickend auf eine große Anzahl herrlicher Siege auf allen festen der Turnerei, in schönster Blüte stehend, feierte der Verein im Jahre 1910 sein goldenes Jubiläum in würdiger Weise.
Zu den bestehenden Abteilungen wurde im Jahre 1912 noch das Altersturnen eingeführt. Die Herausgabe einer eigenen Vereinszeitung in diesem Jahr bezeugt den Willen, von dem alle Mitglieder beseelt waren.
Diesen Aufstieg machte der Ausbruch des ersten Weltkrieges ein jähes Ende. Als diese unselige Zeit nach 4 Jahren ihr Ende nahm, fehlten viele der Besten, die als eifrige Turner an dem Aufschwung des Vereins lebhaften Anteil hatten.
Die in der Nachkriegszeit gemeinsame Not brachte die beiden Turnvereine im März 1919 seit langen Jahren in einer Versammlung wieder zusammen und von nun an hieß der Turnverein „ Turnerschaft Heddernheim“
Den 53 Opfern, die der erste Weltkrieg von beiden Vereinen gefordert hatte, wurde eine Gedenktafel errichtet, welche im Vereinslokal einen würdigen Platz gefunden hatten, doch der Wahnsinn des zweiten Weltkrieges vernichtete auch dieses Zeichen ehrenden Gedenkens.
Hart waren die Zeiten und nur langsam rüttelte der alte Turnergeist die niedergeschlagenen Seelen wieder wach.
Die im Jahre 1920 gegründete Handball – Abteilung und umfangreiche bauliche Veränderungen, mit erheblichen Kosten verbunden, bewiesen, das ein neuer Aufstieg im Gange war.
1923 Teilnahme am Deutschen Turnfest in München
Das im Jahre 1925 stattgefundene 50jährige Fahnen- und das 25jährige Hallenjubeläum fanden das Vereinsschifflein unter sachkundiger Leitung an allen Plätzen in guter Fahrt.
Frauenriege 1928
In den nun folgenden Jahren des Friedens war bald die einstige Größe des Vereins in allen seinen Abteilungen wieder erreicht, wenn nicht übertroffen. Von allen Wettkämpfen, die besucht wurden, kehreten die Turnerinnen und Turner mit dem schlichten Eichenkranz als Sieger zurück.
Die Handballabteilung stand in ihrer Klasse an hervorragender Stelle, und die Gesangsabteilung, die im August 1931 das Fest ihres 50jährigen Bestehen feiern konnte, zeigten beachtliche Leistungen.
Auch die Turnerinnen – Abteilung konnte 2 Jahre später 1933 ihr silbernes Jubiläum feiern, dem im Jahre 1935 das 75jährige des Vereins folgte.
Ein reichhaltiges Festprogramm vom 06. bis 21. Juli war der Bedeutung dieser frohen Jubiläumstage angepasst. Turnerinnen; Turner, die inzwischen gebildete Schwimmabteilung, die dem Verein angeschlossenen Paddler, Handballer, alle hiesigen Vereine, viele auswärtige Turnvereine trugen zur Verherrlichen und Programmgestaltung bei. Der Höhepunkt dieses Jubiläums war der am 14 Juli veranstaltete Festzug mit anschließendem Festball.
Zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte folgten den Jahren friedlichen Aufstieges und höchster Blüte Zeiten des Leidens und Niederganges. Wiederum vier Jahre nach frohen Jubiläumstagen, wie 25 Jahre vorher, begann 1939 ein wahnwitziges Völkermorden und das Ende schien auch die endgültige Vernichtung und Auslöschung der materiellen und seelischen Substanz der Turnerschaft zu sein.
Ende Oktober 1943 wurde unsere Turnhalle, die zuletzt Fremdarbeitern als Schlafstätte diente, samt dem Wirtschaftsgebäude ein Raub der Flammen.
Unsere Turnhalle nach dem ersten Bombentreffer am 05.10.1943
Kriegsversehrte und die wenigen noch in der Heimat befindlichen Mitglieder richteten, was noch übrig geblieben war,notdürftig her, aber am 8.März 1945 hatten die Bomben aus den Resten einen Trümmerhaufen hinterlassen, unter dem die Fahnen, das Vereinsarchiv, die errungenen Eichenkränze und die Hoffnungen und Erinnerungen ganzer Generationen der Turnerschaft versunken waren. Mit der Turnhalle war nicht nur das Eigentum der Turnerschaft, sondern ein Symbol der gesamten Bevölkerung Heddernheims in Staub und Asche untergegangen, und nahezu 100 Opfer waren der unersetzliche Verlust, den der Verein zu beklagen hatte.
Durch den allgemeinen Zusammenbruch 1945 waren nach Kontrollratsdirektive Nr.23 zunächst alle Sportvereine aufgelöst und ihr Vermögen gesperrt. Infolgedessen war also das gesamte Vereinsleben erlahmt.
Interessierte Kreise aus den Heddernheimer Vereinen trafen sich erstmals wieder im Frühjahr 1946, um die Sache in Gang zu bringen. Nach vielem Hin und Her gründete man die Kultur – und Sportgemeinschaft, die aber nach einiger Zeit nicht mehr lebensfähig war.
Zu diesem Zeitpunkt sammelte sich die Turnerschaft wieder und bestimmte auch einen Vorstand,dem es nach vielen Mühen bei den zuständigen Behörden gelang, für die Turnerschaft die Lizenz zu erhalten, und somit auch die Freigabe ihres Vermögens.
Aufgrund der Neuzulassung des Vereins fand am Karfreitag 1948 im Nassauer Hof eine sehr gut besuchte außerordentliche Versammlung statt, in der nun auch der vorläufige Vorstand bestätigt wurde. Als Hauptthema fand der „Turnhallen – Aufbau“ großes Interesse, und die Mitglieder erteilten dem Vorstand einstimmig hierzu alle Vollmachten.
Ebenfalls begrüßte man die Absicht der Vereinsleitung, mit den Vorbereitungen zum 90jährigen Jubiläum 1950 zu beginnen.
Als im Frühjahr 1950 der Ruf „ Wir bauen auf „ von Mund zu Mund weitergetragen wurde, ging ein Aufatmen durch weite Kreise der Einwohnerschaft.
Schon zu Beginn der 90 – Jahrfeier des Vereins wurde am 18.Juli 1950 das neuerstellte Wirtschaftsgebäude im Beisein des Ehrenausschusses als erster Bauabschnitt seiner Bestimmung übergeben. Unter großer Anteilnahme aller Ortsvereine sowie der befreundeten Turnvereine und nicht zuletzt der Heddernheimer Bevölkerung. wurde drei Tage lang das Jubiläum in einem Festzelt auf der Brühlwiese zur Zufriedenheit von Veranstalter und Besucher gefeiert.
Schirmherr war der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, Dr.Walter Kolb,der auch gleichzeitig der 1.Bundesvorsitzende des 1950 in Frankfurt neugegründeten Deutschen Turnerbundes war.
Der sehr gute Abschluß des Festes gab naturgemäß den Mitgliedern und den Verantwortlichen noch mehr Auftrieb zur Durchführung des gesteckten Zieles „Turnhallenwiederaufbau“, so daß am 22. September 1950 das gesamte Objekt Turnhalle in würdiger Form eingeweiht werden konnte.Mit viel Mühe und unter großen zeilichen Aufwand einzelner Turnfreunde war nun das neue Heim unseres Vereins wiedererstellt.
Mit als erste hatten die Heddernheimer wieder eine eigene Vereinsturnhalle unter den vielen obdachlosen Frankfurter Turnvereinen.
Eine würdige Sportstätte war wieder geschaffen für Mann und Frau, die hier oft die Altagssorgen vergessen ließ.
Auch der freundliche Nachbar, die Heddernheimer Volksschule, konnte nun seinen Schulsportbetrieb mit ca. 1400 Schülern täglich wieder geordnet durchführen.
Die Turnerschaft hatte aber trotz der Freude am Turnen und Sport große Mühe um die Erhaltung des Hauses. Es ist nur allzu verständlich, daß in den Jahren unseres Wiederaufbaues noch keine Erfahrungswerte in der Finanzbeleihung für solche Unternehmen vorlag. Der Vorstand mußte mühselige Wege gehen, um die Mithilfe von städtischen Körperschaften und Verbänden zu gewinnen.
Unter straffer Vereinsleitung gelang es aber dem Verein, immer weiter aufzurichten, und die aktiven Turner entwickelten sich sehr bald zur Wettkampfreife.
1953 nahm die Turnerschaft an dem Deutschen Turnfest in Hamburg teil und konnte mit drei Turnerinnen sowie drei Männer - Siegen zurückkehren.
Teilnehmer Deutsches Turnfest 1953 in Hamburg :
v.l. : J. Barz, E. Barufke(Hartmann), O. Begemann, E. Broschat(Barz), :-:, E. Wagner(Schorr), H. Kuhnmünch, W.Halbleib
Ebenfalls sind die Heddernheimer auf jedem Feldbergfest, Gaufest, Lohrberg - und Schülergaufest alljährlich vom jüngsten bis zum Altersturner stets sehr gut vertreten.
1958 Teilnahme am deutschen Turnfest in München
In der stolzen Bilanz sollen und können auf keinen Fall unsere starken Abteilungen Handball und Spielmannszug fehlen. Beide Abteilungen feiern im turnerischen Jahr 1960 gleichzeitig ihr 40jähriges Bestehen und können sich mit Stolz ihrer Vergangenheit erinnern.